I. Ausgangslage

Das Jugendgerichtsgesetz normiert in Deutschland das formelle Strafrecht im Bereich des Jugendstrafrechts. Der Grundgedanke des Jugendstrafrechts ist der Erziehungsaspekt. Es zieht daher den Gesichtspunkt der Erziehung dem der Strafe vor. Der noch junge und prägbare Mensch steht hierbei im Mittelpunkt des Strafverfahrens. Ziel ist in erster Linie nicht die Sanktion des Delinquenten, sondern die Resozialisierung, um eine nachhaltige Beeinflussung dahingehend zu gewährleisten, dass weitere Straftaten im späteren Leben des Jugendlichen ausgeschlossen werden können.

Der § 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) normiert den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des JGG. Begeht hierbei eine Person unter 21 Jahren eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so ist der Anwendungsbereich des JGG eröffnet. Das JGG unterscheidet in seiner Anwendung noch nach Jugendlichen und Heranwachsenden, also zwischen dem Lebenszeitraum von vierzehn bis einschließlich siebzehn Jahren und von achtzehn bis einschließlich zwanzig Jahren. Weitergehende Voraussetzungen zur Anwendung des JGG sind nicht normiert.

Dies führt in einigen Fällen zu dem Umstand, dass schon erwachsene Personen noch nach den Grundsätzen des Jugendstrafrechts verurteilt werden. Ein aktuelles Beispiel ist das Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Angeklagte Sarah O. und Andere. Der Angeklagten wird vorgeworfen sich dem Islamischen Staat (IS) mit 16 Jahren angeschlossen zu haben und sie habe in Syrien diverse Kriegsverbrechen unterstützt. Sie soll in Unterkünften, deren Eigentümer vom IS enteignet oder sogar getötet worden sein sollen, zusammen mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern gelebt haben. Ferner sollen in ihrem Haushalt jesidische Frauen als Sklaven gehalten worden sein. Die Angeklagte steht nun mit 21 Jahren vor einem deutschen Gericht und soll trotz ihres Alters und der schwerwiegenden Vorwürfe nach deutschem Jugendstrafrecht sanktioniert werden, da eine gegebenenfalls negative Auswirkung auf die Erziehung der Angeklagten zu erwarten sei. [1]

Ein weiteres Beispiel ist der aktuelle Fall vor der Jugendkammer des Landgerichts Hamburg. Der mittlerweile 93-jährige Angeklagte war in den Jahren 1944 bis 1945 als Wachsoldat dem Konzentrationslager Stutthoff zugeteilt. Das Strafverfahren wird vor der Jugendkammer geführt, da der 93-jährige Angeklagte zur Tatzeit 17 Jahre alt war. [2]

Die oben bezeichneten Fälle lassen die Frage aufkommen, ob bei derartigen intensiven Taten bzw. bei einem derartig weit zurückliegenden Zeitraum noch der Grundsatz des Erziehungsaspektes gegenüber dem Angeklagten greifen kann.

Eine Anpassung des Jugendstrafrechts im Hinblick auf den Zeitpunkt der Verurteilung zwecks eines angemessenen Ansatzpunktes zur sachgemäßen Sanktionierung und Resozialisierung des Angeklagten erscheint daher notwendig.

II. Der Landtag stellt daher fest:

Der Ansatzpunkt des Jugendstrafrechts auf den Zeitpunkt der Ausübung der Straftat geht unter dem Aspekt des Erziehungsgedankens fehl.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

Im Bundesrat eine Gesetzesinitiative einzubringen, um den sachlichen Anwendungsbereich des JGG derart abzuändern, dass dieser auf den Zeitpunkt der Verurteilung des Angeklagten ausgerichtet ist.

Thomas Röckemann
Andreas Keith