I. Ausgangslage

Nach der Umsetzung durch die Türkei, mutmaßliche IS-Anhänger wieder in ihre Heimatländer abzuschieben, besteht die Gefahr, dass auch Deutschland vermehrt abgeschobene IS‑Kämpfer aufzunehmen haben wird. [1]

Dies wird aller Voraussicht nach auch mit einer Zunahme an strafrechtlichen Gerichtsprozessen einhergehen. Das erste Urteil gegen eine IS-Rückkehrerin erging durch das Oberlandesgericht Stuttgart und verurteilte die Angeklagte zu 5 Jahren Haft. [2] Auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wird aktuell gegen eine mutmaßliche IS-Anhängerin der Prozess geführt. Die Bundesanwaltschaft wirft der Angeklagten unter anderem Unterstützung einer terroristischen Organisation, Beteiligung an Kriegsverbrechen, Menschenhandel und Freiheitsberaubung vor. [3]

Seit Beginn des Jahres wird deshalb aufgrund derartiger und ähnlich gelagerter Fälle über die Möglichkeit des Verlustes der Staatsangehörigkeit bei doppelter Staatsbürgerschaft beratschlagt, um eine Rückkehr von nachweisbaren IS-Anhängern zu erschweren. [4]

Im Sommer verabschiedete der Bundestag eine Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts. Neu geregelt wurden der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei der Teilnahme an einer Terrormiliz sowie eine Verschärfung der Voraussetzungen zur Einbürgerung. [5]

Die Auswirkungen der oben bezeichneten Gesetzesänderung dürften jedoch in aller Regel praktisch nur bei Verurteilungen der IS-Rückkehrer zu verzeichnen sein. Ferner regelt die neu gefasste Norm nur Sachverhalt im Ausland. Doch auch im Inland liegen Problemkonstellationen vor, welche einer Korrektur der Einbürgerungssystematik bedürfen.

So befasste sich der Landtag Nordrhein-Westfalens in seiner 59. Sitzung am 24.05.2019 in der aktuellen Stunde mit der Thematik der Clankriminalität. Anlass hierzu war der zuvor Mitte Mai veröffentlichte Lagebericht des Innenministeriums Nordrhein-Westfalens. Dieser besagt, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen etwa 104 kriminelle Clans verortet, welche in den Jahren 2016 bis 2018 für rund mehr als 14.000 Straftaten verantwortlich sein sollen; hierbei wird von ca. 6.500 Tatverdächtigen aus dem Clan-Milieu ausgegangen.

Besonders auffällig war die hohe Anzahl an Rohheitsdelikten – wie Bedrohung, Nötigung, Raub oder Körperverletzung – von mehr als einem Drittel im Vergleich zur Gesamtanzahl an ermittelten Delikten. Hierbei ist laut dem Innenminister zu prognostizieren, dass die Clankriminalität in diesem Bereich voraussichtlich zunehmen wird, da es zu Verdrängungswettbewerben zwischen bisher tätigen und neu formierten Clans kommen könnte. Insbesondere die neu formierten Clans, deren Mitglieder von den alten Clans bisher abhängig waren und sich nun immer häufiger lossagen, würden überdurchschnittlich häufig junge Männer mit Kriegserfahrungen in ihren Reihen haben. Von einer zunehmenden Gewaltbereitschaft ist daher auszugehen. [6]

Das Absitzen von Haftstrafen in Justizvollzugsanstalten stellt für die verurteilten Clanmitglieder aus soziologischen Aspekten heraus auch keine Strafe im engeren Sinne dar. Es wird zwischen den Taten und deren eventuellen Folgen abgewogen und ein Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt bewusst in Kauf genommen. [7] Vielmehr gilt eine Gefängnisstrafe sogar noch als besondere Auszeichnung für die Ehre des Clans. [8]

Auch hier bedarf es im Bereich der schwersten Kriminalität durch Clans und in ähnlich gelagerten Fällen mit doppelter Staatsangehörigkeit einer Reform der Straffolgen. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit als Sanktionsfolge bei schweren Straftaten verdeutlicht, dass die deutsche Staatsbürgerschaft das letztendliche Ziel eines Integrationserfolges darstellt, aber niemals bloßes Mittel dessen sein darf.

Auch im Völkerrecht wird die doppelte oder mehrfache Staatsangehörigkeit als unerwünscht angesehen, da die Staatsangehörigkeit ein Ausdruck eines besonderen Pflichten- und Treueverhältnisses zwischen dem Staatsangehörigen und dessen Staat darstellt. So beinhaltete schon die „Haager Konvention über gewisse Fragen beim Konflikt von Staatsangehörigkeitsgesetzen“ vom 12.04.1930 als internationales Ziel die Beseitigung der Staatenlosigkeit und der Doppelstaatigkeit. Auch das Europäische Übereinkommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 06.05.1963 beinhaltete ähnliche Regelungen, welches jedoch von der Bundesrepublik Deutschland am 20.12.2001 mit Wirkung zum 21.12.2002 gekündigt wurde. [9] Die neuere Entwicklung im Völkerrecht lässt zwar einzelne Möglichkeiten der Mehrstaatigkeit zu, wie bspw. das Gesetz zu dem europäischen Übereinkommen vom 06.11.1997 über die Staatsangehörigkeit. Jedoch regelt dieses Übereinkommen explizit nur die Möglichkeiten der Mehrstaatigkeit für Fälle der Geburt und Eheschließungen. Weitere Akzeptanzen im Recht des Vertragsstaates werden aufgrund der Staatssouveränität zugelassen. [10]

Es ist somit auch weiterhin ersichtlich, dass die Mehrstaatigkeit eine bewusste Ausnahme vom völkerrechtlichen Grundsatz darstellen soll.

II. Der Landtag stellt daher fest:

  1. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist Ausdruck eines engen Loyalitätsbandes zwischen dem Bürger und dem deutschen Staat.
  2. Die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft stellt daher das höchste erstrebenswerte Ziel eines gelungenen Integrationsprozesses dar.
  3. Die Einbürgerung als bloßes Zweckmittel konterkariert die oben bezeichneten Aspekte und stellt sich gegen die Grundsätze des Völkerrechts.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

Im Bundesrat einen Gesetzentwurf einzubringen, um den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit als Nebenfolge im Strafgesetzbuch zu normieren. Der Verlust soll eintreten, wenn schwerwiegende Katalogstraftaten, analog zu § 54 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz, oder Verbechenstatbestände von Personen begangen werden, welche eine mehrfache Staatsangehörigkeit aufweisen.

Thomas Röckemann