I. Ausgangslage

In der monistisch ausgeprägten kommunalen Aufgabenstruktur des Landes Nordrhein-Westfalen ist die Gemeinde die alleinige Trägerin der öffentlichen Verwaltung innerhalb ihres Gemeindegebietes. Die Verwaltung der Gemeinde wird durch die Bürgerschaft bestimmt, welche regelmäßig durch den Rat und den Bürgermeister vertreten werden. Jedoch ermöglicht § 26 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens die Entscheidung durch die Bürger der Gemeinde, anstelle des Rates.

Aufgrund der Corona-Krise ist neben dem gesellschaftlichen Leben auch der politische Entscheidungsprozess betroffen. So wurden unter anderem die Kompetenzen der Räte und Kreistage auf den jeweiligen Hauptausschuss oder Kreisausschuss übertagen, solange diese Krise anhält, um handlungsfähig zu bleiben.

Eine ähnlich analoge Anpassung der Entscheidungsfähigkeit durch ein Bürgerbegehren bzw. einen Bürgerentscheid ist nicht getroffen worden. Daher ist es für ein Bürgerbegehren weiterhin, auch in Zeiten der Corona-Krise, notwendige Voraussetzung eine jeweils in der GO NRW normierte Anzahl an Unterschriften der Bürger innerhalb der Gemeinde zu sammeln. Richtet sich das Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Rates, so ist dieses innerhalb von 6 Wochen nach der Bekanntgabe des jeweiligen Beschlusses abschließend durchzuführen; sollte der Beschluss keiner Bekanntgabe bedürfen, beträgt diese Ausschlussfrist 3 Monate.

Unter den aktuellen Bedingungen dürfte eine derartige Fristsetzung für die meisten Bürgerbegehren eine unzumutbare Hürde darstellen. Doch auch ohne die aktuellen, durch den Corona-Virus bedingten Zustände, ist diese zeitliche Komponente keine dringend notwendige Voraussetzung zur Zulässigkeit eines kassierenden Bürgerbegehrens. Denn Bürgerbegehren, die sich nicht gegen einen Beschluss des Rates richten, unterliegen logischerweise keiner Befristung. Jedoch ist auch ihnen die Möglichkeit einer kaskadenartige Entscheidungsserie über Angelegenheiten, welche den gleichen Gegenstand zur Entscheidung betreffen, entzogen, da § 26 Absatz 5 Satz 2 GO NRW diesbezüglich eine Sperrfrist von 2 Jahren normiert. Somit würde der Wegfall einer Fristsetzung nach § 26 Absatz 3 GO NRW beim kassierenden Bürgerbegehren ebenfalls der Sperrfrist nach § 26 Absatz 5 Satz 2 GO NRW unterliegen, sodass ein rechtsmissbräuchliches in Anspruch nehmen kassierender Bürgerbegehren ebenfalls unterbunden wird.

Auch die Rechtssicherheit für Ratsbeschlüsse wird ausreichend gewahrt, da Beschlüsse sowohl auch noch nach sechs Wochen nach Beschlussfassung vom Rat rückgängig gemacht werden können, als auch der Rat das politische Spiegelbild des Willens der Bürgerschaft abbilden soll; eine analoge Fristsetzung besteht dementsprechend für den Rat nicht, sodass von Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheiden keine weitergehende Rechtsunsicherheit besteht, als wenn der Rat selbstständig tätig wird.

Ferner wird die oben beschrieben Problematik der innerhalb der Corona-Krise initiierten Bürgerbegehren somit unproblematisch gestellt.

Eine entsprechende Normierung ist ebenfalls auf Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheide im Rahmen von Beschlüssen des Kreistages anzuwenden.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf:

  • Die direkte Demokratie auf Kommunalebene zu stärken und hierzu einen Gesetzentwurf zu verfassen, der die Befristung für die Einreichung von kassierenden Bürgerbegehren, nach § 26 Absatz 3 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen sowie § 23 Absatz 3 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, streicht.

Thomas Röckemann