Zur vollständigen Kleinen Anfrage 4620 (Drucksache 17/11589).

Im Auftrag der Staatskanzlei und des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen wurde ein Computerspiel gegen Rechtsextremismus mit dem Titel „Leons Identität“ entwickelt. Dieses Spiel wurde am 21. August 2020 veröffentlicht. Das Gesamtbudget für die Entwicklung des Spiels betrug 220.000 Euro.

Unter der Rubrik „Realitätsabgleich“ des offiziellen Internetauftritts werden Vergleiche zwischen Spielinhalten und der Realität gezogen. So wird im Spiel beispielsweise durch die Zeitschrift „Popoli“ Kritik an den Aussagen und Darstellungen des Gender Mainstreamings als grundsätzlich rechte Ideologie dargestellt.

Alle Varianten des Extremismus sind abzulehnen, und entsprechende Präventionsmaßnahmen sind daher angezeigt. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2019 beschreibt verschiedene Parteien und Bewegungen, die dem Linksextremismus und dem Islamismus zuzuordnen sind. Innenminister Herbert Reul wurde im September 2020 Opfer von linksextremer Bedrohung in Form eines Briefes, der eine Patronenhülse enthielt.

Wir fragten daher die Landesregierung:

  1. Welche Downloadzahlen für das Spiel „Leons Identität“ liegen der Landesregierung vor?
  2. Welche weiteren Kosten (Pressekonferenzen, Veröffentlichung des Spiels auf der Plattform „Steam“, Werbung, Entwicklung der Browser-Version etc.) sind im Zuge der Vermarktung neben den 220.000 € Entwicklungsbudget entstanden?
  3. Wie bewertet die Landesregierung Darstellungen des Spiels wie etwa die, dass Kritik am Gender Mainstreaming als Zeichen von Rechtsextremismus zu werten ist?
  4. Plant die Landesregierung eine Entwicklung von weiteren Computerspielen, die jeweils dazu dienen sollen, die Indoktrination von jungen Menschen durch andere Extremismusformen zu verhindern?
  5. Wie bewertet die Landesregierung in Zeiten latenter Computerspielsucht i.H. von 15,4 Prozent, in denen Kinder ihren Eltern immer mehr in die virtuelle Welt zu entgleiten drohen, den Einsatz und die Nutzung eines staatlich geförderten Computerspiels?

Computerspiele können ein gutes Mittel zur Extremismusprävention und -aufklärung sein: Durch die direkte Interaktion mit dem Spiel kann der Spieler stärker in eine Situation eintauchen als es zum Beispiel bei Filmen oder Büchern der Fall ist. So kann der Präventions- beziehungsweise Aufklärungseffekt verstärkt werden.

Leider hat man sich bei Leons Identität auf eine platte Reproduktion möglichst vieler Vorurteile beschränkt. Es fängt an mit dem (zumindest implizierten) Grund für Leons „Radikalisierung“: Die Zurückweisung durch eine Freundin. Auch soll Leon vor kurzem mit Kampfsport angefangen haben, in verschiedenen „rechten“ Sozialen Medien im Internet unterwegs sein und nun „rechten“ Deutschrap hören. Anspielungen auf einen Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und der Kritik am Gender-Mainstreaming und der Kritik an der Klimapanik dürfen natürlich auch nicht fehlen. Eine sofort folgende Einordnung des Gesehenen, wie zum Beispiel Zeitschriften und Poster, durch Jonas folgt in den meisten Fällen – wo käme man auch hin, wenn sich der Spieler selbst Gedanken über das Gesehene machen würde?

Wie es dabei zu der „Radikalisierung“ Leons kam, bleibt leider im Dunklen. Man erfährt nur, dass er von einer Freundin zurückgewiesen wurde und es daraufhin zu Streit zwischen ihm und seinen Freunden kam, aber dann springt die Zeit zu dem Punkt, wo Leon schon auf dem Weg zu dem „rechten“ Sommerlager ist. Es bleibt zum Beispiel unklar, wie es zu dem Kontakt mit seinen neuen Freunden kam oder was für ihn der Reiz an diesen neuen Freunden ist.

Die aus der Antwort der Landesregierung hervorgehenden Spielerzahlen sprechen Bände: So betont die Landesregierung zwar die „breite mediale Beachtung und ausführliche Berichterstattung“, gibt aber gleichzeitig zu, dass, trotz der rund 90.000 Aufrufen der Webseite und der Seite des Spiels bei Steam und der rund 1,5 Millionen „Impressions“ bei Steam, nur zirka 13.000 Spieler das Spiel gespielt haben. Dabei hat die Landesregierung zirka 35.000 Euro zur Bewerbung des Spiels ausgegeben. Anscheinend dient das Spiel mehr dazu, positiv in der Presse wahrgenommen zu werden, statt der Extremismusprävention.

Zur vollständigen Antwort der Landesregierung (Drucksache 17/11858).